Löwendenkmal
Theodor-Heuss-Platz
Der steinerne Löwe vor dem Remscheider Rathaus ist ein Relikt aus der Zeit des Nationalsozialismus. So führte die bis zur Renovierung des Sockels im Jahre 2024 angebrachte Inschrift auf den Steinen aus Triaskalk in die Irre. Sie wurde erst Jahrzehnte nach der Errichtung des Denkmals angebracht.
Die originale Inschrift befand sich auf einem heute verschwundenen Quader. Dieser war an der Stirnseite mit Reichsadler und Hakenkreuz versehen und trug auf der Seite die Widmung: „Dem Schöpfer des Großdeutschen Reiches Adolf Hitler in Dankbarkeit. 1. Mai 1939.“
Zur feierlichen Einweihung des Denkmals, das auf Anregung des ehemaligen Oberbürgermeisters Walther Hartmann entstanden war, versammelten sich an diesem Tage mit dem amtierenden Oberbürgermeister Ludwig Kraft weit über 20.000 Parteimitglieder und Bürger auf dem mit Hakenkreuzen geflaggten Platz vor dem Rathaus. Der bewusst nach Westen blickende steinerne Löwe sollte die Bewohner der Stadt „allzeit erinnern an die Großtaten des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler, der unsere rheinische Heimat durch seine stolze Wehrmacht und einen Wall von Eisen und Beton schirmte und uns durch die Heimholung der Ostmark und des Sudetenlandes das lang ersehnte Großdeutsche Reich aufrichtete.“, wie es in der Urkunde für den Grundstein hieß. Diese „Errungenschaften“ sollten in Zukunft „mit der Kraft und Zähigkeit des Löwen“ verteidigt werden.
Viele Jahre hatte die Stadt über die Gestaltung des alten Kaiserplatzes, der 1921 in Rathausplatz umbenannt worden war, gestritten. 1927 war ein altes Kriegerdenkmal zum Stadtpark verlegt worden. Mit der Errichtung eines neuen Gebäudes auf der Ostseite des Platzes im Jahr 1938, in dem die Städtische Sparkasse sowie die Stadtwerke und die Industrie und Handelskammer untergebracht wurden, verband die mittlerweile von der NSDAP dominierte Stadtverwaltung die lange aufgeschobene Neugestaltung des Platzes. So entstand in Aufnahme des monumentalen Stils der nationalsozialistischen Architektur nach Entwürfen des bekannten Kölner Bildhauers Willy Meller ein nicht originalgetreues, da nicht dem Abbild des Limburgischen Löwen (Wappentier des Bergischen Landes seit 1225) entsprechenden, Standbild eines „Bergischen Löwen“.
Das Monument überstand die großflächige Zerstörung der Remscheider Innenstadt bei den Bombenangriffen des 2. Weltkrieges nahezu unbeschädigt.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit verschwand der Quader mit den Symbolen der Nazizeit und der dazugehörigen Widmung. Die einfachste Form der Vergangenheitsbewältigung. Erst 1964 begann eine Diskussion um die Vergangenheit des Löwendenkmals auf dem Remscheider Rathausmarkt. Es war die Zeit der Frankfurter Ausschwitzprozesse. Vielen Bürgern wurde erst jetzt klar, wie wenig man sich bisher mit der Zeit und den Taten des Nationalsozialismus in Deutschland befasst hatte.
In Remscheid war der unmittelbare Anlass, über eine mögliche Entfernung des Löwen mit belasteter Vergangenheit zu diskutieren, der Bau der neuen Stadtsparkasse und einer Tiefgarage unter dem Rathausplatz. Im Anschluss daran sollte der Rathausplatz ebenfalls neugestaltet werden.
Nach intensiven Diskussionen in der Presse und im Stadtrat erfolgte am 27. April 1964 die entscheidende Abstimmung in der Politik. Mit dem Ergebnis von 18 zu 18 Stimmen im Stadtrat wurde der Antrag der SPD-Fraktion, das Löwendenkmal abzureißen, automatisch abgelehnt. Für ein positives Votum wäre eine Mehrheit von einer Stimme nötig gewesen.
In gleicher Abstimmung wurde allerdings auch entschieden, eine Inschrift anzubringen, in der auf die Vergangenheit des Denkmals hingewiesen werden sollte. Zusätzlich sah der Beschluss vor, dem Grundstein eine weitere Urkunde hinzuzufügen, in der auf die Entstehungsgeschichte des Löwendenkmals hingewiesen werden sollte.
Nach einem weiteren Ratsbeschluss lautete die Inschrift, die bis heute zu lesen ist:
„Wappentier des Bergischen Landes seit 1225“. Ein Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Standbildes unterblieb auch in der eingemauerten Urkunde.
Fast zwanzig Jahre später, 1985, wiederholte sich diese Debatte. Wieder sollte das Löwendenkmal mit zweifelhafter Vergangenheit verschwinden. Diesmal war der Grund mehr Platz für die Marktbeschicker. Der Löwe blieb. Ein Erfolg der Auseinandersetzung in Presse und Stadt war zumindest, dass dem Grundstein diesmal – in aller Stille – Informationen über die Geschichte des Denkmals und der daraus entstandenen Diskussion beigegeben wurden. Eine Information am Denkmal selbst unterblieb erneut.
Darüber hinaus gab es im Verlaufe der letzten zehn bis zwölf Jahre immer mal wieder eine mal mehr und mal weniger stark ausgeprägte stadtgesellschaftliche Betrachtung und politische Diskussion rund um das Löwendenkmal, die im Zuge jährlich durchgeführter Veranstaltungen mit dem Löwen des Löwendenkmals im Mittelpunkt (Löwenparaden, stadtgesellschaftlich initiative Aufstellung von unterschiedlich gestalteten Löwenskulpturen, Löwenfestivals) und der geplanten Sanierung mehrerer Denkmäler ab 2018 aufgekommen waren. Seitens der politischen Vertreter*innen war im Zuge dessen eingefordert worden, dass, wie bereits 1964 postuliert, die Gedenkplatte eindeutig auf die nationalsozialistische Vergangenheit des Löwendenkmals hinweisen sollte. Außerdem wurde in der aktuellen politischen Diskussion auch vermehrt auf die falsche Verwendung des Begriffs „Bergischer Löwe“ im Zusammenhang mit dem Löwendenkmal hingewiesen. Es kam zu der Idee, die Platte mit einem im Netz zu verlinkenden Langtext, der die historischen Hintergründe beleuchtet, mittels eines QR-Codes zu ergänzen.
All dies mündete in folgender klarer Beschlusslage des Rates der Stadt Remscheid am 12. Dezember 2019, die der aktuellen Überarbeitung der Gedenkplatte zu Grunde liegt: „Im Zuge der Sanierung des „Löwendenkmals“ auf dem Theodor-Heuss-Platz wird am Sockel des Denkmals eine Tafel angebracht, die die Historie des Denkmals wahrheitsgetreu und unverfälscht darstellt. Insbesondere die ursprüngliche Widmung: „Dem Schöpfer des Großdeutschen Reiches 1. Mai 1939“ und die Umwidmung von 1966 in „Bergischer Löwe, Wappentier des Bergischen Landes seit 1225“ sollten im Text der Tafel enthalten sein. Die Tafel soll, wenn möglich, mit einem QR-Code versehen werden, über den man mittels Mobilfunkgeräten und entsprechender Software Zugang bekommt zu hier hinterlegten Informationen, die in Text und Bild einen umfassenden und anschaulichen Überblick über die dem Löwendenkmal zugrunde liegenden historischen Entwicklungen und Ereignisse vermitteln.“
Aufgrund der ab 2020 bis 2022 verstärkten Auswirkungen der sogenannten „Corona“-Pandemie und der ab Mitte 2022 hinzugetretenen gravierenden Feuchtigkeitsprobleme die unter dem Theodor-Heuss-Platz/Rathausplatz liegende Tiefgarage betreffend, die bis Anfang 2024 vorherige zeitintensive, gutachterliche Betrachtungen des Zustandes von Bausubstanz und Baustatik sowie Nutzungseinschränkungen des Platzes erforderlich machten, kam es zu dementsprechenden baulichen Verzögerungen, so dass die Umsetzung der Sanierungsmaßnahme erst im Sommer 2024 abgeschlossen werden konnte.