"Die Ukraine - Land und Volk"
Fundstück des Monats April 2022
Das Fundstück des Monats April 2022 ist über 100 Jahre alt, aber könnte aktueller nicht sein. Es befindet sich seit vielen Jahren in den Beständen des Stadtarchivs. Das Plakat "Die Ukraine - Land und Volk" enthält statistische Angaben zur "ukrainische[n] Volksrepublik in ihren voraussichtlichen Grenzen". Den Hinweis auf das Plakat, welches nun als Fundstück für April dient, gab der ehemalige Leiter des Historischen Zentrums, Dr. Urs Diederichs.
Das Plakat stammt aus der Zeit um 1918 und dürfte in Zusammenhang mit dem Separatfrieden der Ukraine und den Mittelmächten, dem sogenannten „Brotfrieden“, zu sehen sein.
Nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 wurde erstmals die Ukrainische Volksrepublik ausgerufen. Sie wurde aus den ukrainischen Gebieten gegründet, die bis dahin zum Russischen Reich bzw. Russland gehört hatten. Am 9. Februar 1918 unterzeichneten die vier Mittelmächte (Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei) auf der einen Seite und die Volksrepublik Ukraine auf der anderen Seite in Brest-Litowsk den Friedensvertrag. Das Ziel der Ukraine war die Anerkennung der Unabhängigkeit der neu gegründeten Volksrepublik. Die Mittelmächte, insbesondere Deutschland und Österreich-Ungarn, hatten hingegen in erster Linie Interesse an den großen ukrainischen Getreidevorkommen. Sie erhofften sich durch den Vertrag ihr Volk auch in den vorherrschenden Kriegszeiten ausreichend ernähren zu können.
Das Plakat verdeutlicht die großen Mengen Getreide und Zucker, die die Ukraine, die auch „Kornkammer Europas“ genannt wird, im Vergleich zum übrigen großen russischen Gebiet produzieren konnte. Das liegt vor allem an den Schwarzerde-Böden, die zu den besten Ackerböden der Welt zählen. Auch das thematisiert das vorliegende Plakat.
Die staatliche Unabhängigkeit der ukrainischen Volksrepublik war aber nur von kurzer Dauer. Sie endete bereits 1920 mit der erzwungenen Eingliederung in die Sowjetunion. Erst 1991, nach dem Zerfall der UDSSR, erklärte die Ukraine erneut ihre Unabhängigkeit und den Austritt aus der Sowjetunion.
Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland reicht weit zurück in die Geschichte der beiden Länder. Dabei geht es immer wieder um Identität, um Einfluss und Zugehörigkeit.
Der gegenwärtige, blutige Konflikt gründet letztlich in der Frage der Unabhängigkeit und Souveränität der Ukraine. Diese als Teil eines groß-russischen Staatsgebildes zu betrachten, hat seine Wurzeln im Russland der Zarenzeit.
Der Angriff auf die Ukraine, am 24. Februar 2022, durch das russische Militär auf Befehl des Russischen Machthabers Wladimir Putin, stellt die Eskalation des seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 schwelenden Konflikts zwischen Russland und der Ukraine dar.
Schon jetzt hat der russische Angriffskrieg viele Todesopfer, zerstörte Gebäude und Millionen von Flüchtlingen verursacht. Und auch heute ist die Weizenproduktion der Ukraine ein zentrales Thema. Sie gilt noch immer als einer der wichtigsten Getreideexporteure der Welt. Der Krieg in der Ukraine wird große Auswirkungen auf die Getreideversorgung haben. Insbesondere für den afrikanischen Kontinent.
Das 100 Jahre alte Plakat verdeutlicht also damals wie heute die Wichtigkeit der Ukraine für die Versorgungssituation in Russland, Europa und Afrika.
Verfasst von: Sarah Baldy