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Fundstück

„Gegen die Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Wasserturm Hasten bestehen aus stadtgestalterischer Sicht Bedenken!“

Fundstück des Monats Dezember 2024

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Im Januar 1976 erbat die Remscheider Firma Keiper KG die Genehmigung des Bauordnungsamtes zum Abbruch des auf ihrem Grundstück befindlichen Wasserturms in der Büchelstraße. Man habe keine wirkliche Verwendung für den Turm; insbesondere die Instandhaltung von Turmhelm und Behältern verursache hohe Kosten. Man habe jahrelang versucht, zum Beispiel durch Ideenwettbewerbe, für den Wasserturm eine brauchbare Verwendung zu finden – leider ohne Erfolg.

Ein halbes Jahr später interessierte sich ein Solinger Ingenieur für den Wasserturm: Er plante, ihn als Träger für eine Windenergieanlage zu verwenden, und überlegte darüber hinaus, die inneren Räumlichkeiten umzugestalten und sie als Windkraftzentrum, etwa mit angegliedertem Museum und Informationsbüro, zu nutzen.

Was heute kaum mehr als ein Schulterzucken hervorrufen würde, war für die damalige Zeit ein außergewöhnliches Projekt – verdächtig nahe an der Grenze zur Phantasterei. Vergessen wir nicht, dass wir uns in der Frühzeit der Windenergienutzung in Deutschland befinden. Natürlich, Windkraftanlagen hat es auch schon früher gegeben, sie entwickelten sich aus der Windmühlentechnik heraus; und so vielversprechend die Technik auch war, sie blieb lange Zeit eine Nische der technischen Entwicklung – zumeist in ihrer Verwendung beschränkt auf das Pumpen von Wasser, zur Entwässerung oder zum Antrieb von Maschinen oder Mühlen.

In der NS-Zeit widmete sich die durch verschiedene Nazi-Größen gegründete Firma Ventimotor GmbH in Weimar der Energieversorgung durch Windkraft: der Leiter der Konstruktionsabteilung von Ventimotor und Leiter der aerodynamischen Abteilung der Weimarer Ingenieursschule Ulrich W. Hütter wurde später als deutscher „Windenergiepapst“ bekannt. Es gelang ihm, Windkraftanlagen so zu designen, dass sie maximale Leistung lieferten. Doch die Nazis stellten 1943 den Betrieb von Ventimotor ein, ohne je eines der 28.500 geplanten Windräder gebaut zu haben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, speziell ab 1960, wandte man sich immer mehr von der Windkraftforschung ab; man setzte stattdessen verstärkt auf die Nutzung neuer Energieträger wie Erdöl und Atomkraft. Erst mit der Ölkrise in den 1970er-Jahren und der Anti-Atomkraft-Bewegung in den 1980ern erhielt das Interesse an der Windkraft neuen Aufschwung. Es begannen sich verstärkt private Erfinder sowie Institute und Firmen mit der Weiterentwicklung von Windenergiesystemen zu beschäftigen. So entstand beispielsweise im Jahr 1973 bei Tinnum auf Sylt eine Windenergie-Großanlage namens ‚Noah’, die von der SG Energieanlagenbau GmbH Solingen erstellt wurde.

Und es war just dieser Solinger Energieanlagenbauer, der den Hastener Wasserturm zu einer Windkraftanlage umzubauen gedachte. Sein Name: Hans-Dietrich Goslich. Goslich war ein wahrer Daniel Düsentrieb. Schon als Schlosserlehrling konstruierte er ohne aerodynamische Kenntnisse einen Pedalcopter mit einem Planetengetriebe; dieser war allerdings aus verschiedenen Gründen völlig flugunfähig (das fluguntüchtige Fluggerät steht heute im Hubschrauber-Museum Bückeburg). Nach dem Studium des Luftfahrtingenieurwesens entwarf Hans-Dietrich Goslich unter anderem Luftschiffe. Er war außerdem ein Mitstreiter des bekannten Physikers Burkhard Heim, beide forschten gemeinsam an der Entwicklung eines Raumschiffs, das die Erdanziehungskraft mit Hilfe von Schwerewellen überwinden sollte! Zu Antischwerkraft wird bis in die jüngste Zeit übrigens immer noch geforscht – bislang allerdings erfolglos. Goslich, ein Pionier der Windenergie (er nahm neben MAN, Dornier und anderen am sog. „Pellworm-Projekt“, einem Testfeld für kleinere Windkraftanlagen, teil) und Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Windenergie, erhielt 1982 ein Patent auf eine „Einblatt-Windturbine mit Fliehkraftregelung“. Goslich besaß einen der extrem seltenen Graphomaten Z 64, dem ersten Plotter mit sehr hoher Zeichengenauigkeit, und korrespondierte Anfang der 1990er Jahre in diesem Zusammenhang mit dessen Entwickler, dem Vater des modernen Computers Konrad Zuse (Briefe im Nachlass Zuse).

Und dieser Tüftler und Visionär wollte nach seinem Pilotprojekt auf Sylt und einer zweiten Anlage in Hamburg nun im Jahr 1976 ausgerechnet in Remscheid eine neue Windkraftanlage auf das Dach des Hastener Wasserturm setzen! Er versuchte, den Verantwortlichen im Bauordnungsamt das Projekt mit dem Hinweis auf die „zu erwartende bedeutende allgemeine Publicity-Wirkung“ schmackhaft zu machen.

Natürlich wäre das ein prestigeträchtiges Projekt gewesen – aber andererseits auch so abseits von der Norm, dass die zuständigen Stellen zunächst einmal versuchten, das Haar in der Suppe zu finden: Der Wasserturm sei im Sinne der Bauordnung ein Hochhaus, an welches besondere brandschutztechnische Forderungen zu stellen seien – die erste zu überwindende Hürde. Nachdem dieser Einwand entkräftet werden konnte, drohte neues Ungemach: Der Landeskonservator sah in dem Wasserturm ein erhaltenswertes technisches Baudenkmal und machte Vorgaben über Vorgaben.

Goslich gab sich alle Mühe; das Projekt war ihm wichtig. Er war bereit, alle geforderten Auflagen im Zusammenhang mit den spezifischen Eigenheiten des Gebäudes zu erfüllen und alle sicherheitstechnischen Maßnahmen umzusetzen. Er fertigte Pläne, änderte um, erhielt immer wieder vorsichtig optimistische Signale – aber kein grünes Licht. Zwischenzeitlich war Goslich nach Hamburg umgezogen. Entnervt schrieb er am 6. April 1978 (das Vorhaben zog sich mittlerweile schon fast zwei Jahre hin) an den Landeskonservator: „Ich habe wirklich mit Engelsgeduld und bestem Einvernehmen mit dem Bauamt mich bemüht, die Erhaltung des Turmes durch ein vernünftiges Projekt zu erwirken.[…] Es ist mir unverständlich, wie Sie an vergleichsweise unbedeutenden Einzelheiten festhalten können, wo es letztlich um Bestehen oder Abriß des ganzen Bauwerkes geht.“

Selbst das städtische Rechtsamt schlug sich auf Goslichs Seite und vermerkte: „Ich meine, man sollte die Forderungen in gestalterischer Hinsicht nicht überspannen. Es ist immerhin zu bedenken, dass die Firma Keiper den Wasserturm auch gegen den Willen des Landeskonservators abbrechen kann. Es besteht keine Rechtsgrundlage, den Abbruch zu verhindern.“

Der Vorgang zog sich noch bis 1982 hin. Zwischenzeitlich waren alle Weichen für eine Errichtung der Windenergieanlage gestellt, man stand – vielleicht vor dem Hintergrund der oben erwähnten Anti-Atomkraft-Bewegung - dem Projekt letztlich wohlwollend gegenüber. Es fehlten nur noch die statischen Berechnungen, die einzureichen Hans-Dietrich Goslich mehrfach aufgefordert wurde. Womöglich hatte ihn seine Engelsgeduld verlassen oder er hatte die Lust verloren, jedenfalls kam er der Aufforderung nicht mehr nach. Am Ende war es die Firma Keiper, die die Geduld verlor und eine Abbruchgenehmigung erwirkte. Der Wasserturm fiel kurze Zeit später der Abrissbirne zum Opfer.

Die Akte endet interessanterweise mit einem Auszug aus einer Fachseitschrift zum Thema „Windenergiegewinnungsanlagen“. Dort hieß es im Jahr 1981 im Zusammenhang mit den Windkraftwerken auf der Nordseeinsel Pellworm vernichtend: „Von den 10 Versuchsanlagen auf Pellworm ist nur noch eine Windkraftanlage betriebsbereit. In allen anderen Fällen fiel die Anlage entweder um oder die Rotorblätter zerbrachen."

 

Verfasst von: Viola Meike  

 

  • 1908 wurde mit dem Bau des Hastener Wasserturm in der Büchelstraße, gegenüber der Hastener Kirche, begonnen. Am 6. Januar 1909 wurde er in Betrieb genommen. Hier war der alte, 400 mᶟ fassende Behälter des Typs Intze I aus dem ersten Wasserturm an der Hochstraße eingebaut worden. Am 8. Juli 1969 wurde der Hastener Wasserturm außer Betrieb gesetzt und vom Rohrnetz abgetrennt. Er wurde anschließend an die benachbarte Firma Keiper verkauft und nach den zuvor geschilderten Ereignissen im Mai 1982 in deren Auftrag durch die Remscheider Firma Johann Knebes abgebrochen – es ereilte ihn damit dasselbe Schicksal wie schon zuvor die Wassertürme in Reinshagen und an der Borner Straße. Heute sind nur noch zwei von ursprünglich sieben Remscheider Wassertürmen in Betrieb.

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