Fundstück

"Versäumt nicht zu üben die Kräfte des Guten" - Die Einweihung des Ehrenhains am 02. August 1925

Fundstück des Monats Juni 2023

Das Fundstück des Monats ist diesmal ein Telegramm, das Reichspräsident Paul von Hindenburg, gerade erst drei Monate im Amt, am 1. August 1925 an Oberbürgermeister Walter Hartmann in Remscheid schickte. Man hatte ihn als Ehrengast zur Einweihung des Ehrenhains eingeladen – doch anderweitiger Verpflichtungen wegen konnte Hindenburg an der Feier nicht teilnehmen; in Gedanken sei er, wie er versicherte, aber dabei. Das Schriftstück ist in der fadengehefteten Akte A 257 „Sonder-Akten betreffend Ehrenhain“ lose enthalten; sein Zustand verrät uns, dass es durch viele Hände gegangen sein muss, bevor es in der Akte endgültig abgelegt wurde. 

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Der erste Weltkrieg war vorüber und Familien weltweit weinten um ihre gefallenen Söhne, Väter und Brüder. Über zwei Millionen deutsche Soldaten waren in Gefechten gefallen oder in Lazaretten und Schützengräben verreckt. Als die Wunden allmählich zu heilen begannen, erwuchs auch in Remscheid der Wunsch, den Opfern des Krieges ein Denkmal zu errichten, das an die Toten erinnern und zukünftigen Generationen zur Mahnung gereichen sollte. Es war Stadtturnrat Karl Grüber, der dafür plädierte, dem geplanten Ehrenhain eine Kampfbahn, d.h. ein Stadion, anzugliedern. Er hielt die Anlage in Reinshagen mit ihrem herrlichen Fernblick – das Grundstück hatte Kommerzienrat Hermann Hasenclever der Stadt als „Bismarckpark“ geschenkt -  für den geeigneten Platz, „würdig eine Stätte der Ehrung unserer gefallenen Helden und wo unsere Jugend erstarken könne für die Zukunft unseres Vaterlandes“.  Es gründete sich zum Zweck der Umsetzung des Vorhabens der Verein „Ehrenhain“ e. V. unter dem Vorsitz von Major a. D. Robert Brand.

Die gesamte Anlage des Ehrenhains wurde durch die Kölner Gartenarchitekten Willkens und Nussbaum konzipiert, die feierliche Grundsteinlegung erfolgte, begleitet von viel vaterländischem Pathos, am 2. Dezember 1923. Der Grundstein wurde mit einer Urkunde versehen, die folgenden Wortlaut enthielt:

„Heiliger Hain, Helden geweiht,
Und Ehrenmal der großen Zeit:
Hoch sollt ihr ragen, der Nachwelt zu melden
Der Heimat Dank ihren teueren Helden,
Zu deren Gedächtnis ihr entsteht.
Und ihr Vermächstnis, das nie verweht:
Fest und treu, wie wir gestanden,
Wachs‘ aufs neu in deutschen Landen
Geschlecht auf Geschlecht, das stetig vermehrt
Treue und Dank und Heldentum ehrt.“

Die Rede zur Grundsteinlegung hielt Karl Grüber selbst und schloss sie mit den beiden letzten Strophen von Goethes Gedicht „Symbolum“ – der Appell an die Kräfte des Guten war angesichts der politischen Entwicklung, die in jenen Dezembertagen des Jahres 1923 schon Fahrt aufgenommen hatte, sicher nicht verfehlt.

Anschließend bot man sämtliche Kräfte auf, um das Werk finanzieren zu können – es flossen natürlich in erster Linie Spendenmittel, das Geld kam aber auch durch Sammlungen und Kredite zusammen. Die Einweihung der gesamten Anlage wurde auf den 2. August 1925 festgesetzt – man hatte just denselben Tag gewählt wie die Lenneper Nachbarn, die ebenfalls am 2. August 1925 ihr neues Stadion einweihten! Eine schlechte Wahl, wenn man bedenkt, dass es an jenem Tag in Strömen regnete, wie wir bereits im Fundstück des Monats Januar 2022 geschildert haben.

Am Vormittag legten Deputationen von Verbänden und Vereinen Kränze nieder, später sammelten sie sich auf dem Kaiserplatz (Rathausplatz) und zogen gegen halb vier Uhr nachmittags als Festzug zum Ehrenhain, wo sich die Angehörigen der Gefallenen, zahlreiche Ehrengäste und die beteiligten Gesangsvereine unter reger Teilnahme der Bevölkerung bereits versammelt hatten. Viele Reden wurden gehalten, viele Dankesworte gesprochen, viele Lieder gesungen. Nach der Kranzniederlegung erstieg der Oberbürgermeister erneut die Rednerbühne und verlas das Staatstelegramm – unser Fundstück des Monats – das kurz zuvor eingetroffen war. Hindenburg befand sich übrigens in München, wo er der Bayerischen Regierung einen Besuch abstattete.

Mit einer großen Nachfeier am Abend im Restaurant zur Talsperre (Inhaber Rudolf Engels) endete  die feierliche Einweihung des Remscheider Ehrenhains für die im Ersten Weltkrieg gefallenen 2478 Söhne Remscheids. Es sollten nur zwei Jahrzehnte vergehen, bis der Ehrenhain wiederum eine Stätte der Trauer und des Gedenkens an Hunderte und Aberhunderte werden sollte, die als Soldaten im von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren hatten. Es war die „für die Zukunft unseres Vaterlandes erstarkte Jugend“, wie Karl Grüber es in seiner eingangs zitierten Rede formuliert hatte.

Das Stadion, das man auf den Namen „Kampfbahn am Ehrenhain“ getauft hatte, war an diesem Tage zwar offiziell mit eingeweiht worden, weil sich die Anlage als ein Ganzes verstand; tatsächlich fanden dort allerdings schon 1923 Sportveranstaltungen statt. Erst gut zwei Wochen vor der Einweihung des Ehrenhains fand im neuen Stadion das 22. Bergische Turn- und Spielfest statt. Welches sportliche Großereignis in den Wochen nach der Einweihung im neuen Stadion Reinshagen stattfinden sollte, davon wird das Fundstück des Monats September 2023 erzählen!

 

Verfasst von: Viola Meike

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