Die Einweihung der Remscheider Wasserleitung am 1. März 1884
Fundstück des Monats Mai 2023
„Beim Aufräumen ist mir die ‚Speise-Karte‘ in die Hände gekommen vom März 1884. Finde, es ist zu schade, sie einfach wegzuwerfen“, schrieb uns vor einiger Zeit eine Dame aus Solingen und übersandte uns die Speisenfolge des Festessens zur Einweihung der Remscheider Wasserleitung – ein beinahe 140 Jahre altes Dokument; ein durch die Jahre und mehrfaches Falten etwas ramponiertes, aber doch immer noch gut lesbares Stück Zeitgeschichte, das nicht nur an den Beginn der Remscheider Wasserversorgung erinnert, sondern darüber hinaus noch anhand des umseitig aufgedruckten Menüs zeigt, was Emil Alberty in seinem renommierten Hotel und Gasthof „Zum Weinberg“ zu solch einer feierlichen Gelegenheit den Honoratioren der Stadt kredenzte: „Salm mit Kartoffeln“, „Filet de boeuf mit Champignons“, „Kalbsbrust in Gelee mit Kopfsalat“, „Französische Poularden mit Compotes“ und ein Dessert. Dazu erlesene Rhein-, Mosel- und Bordeauxweine. Auch Champagner durfte natürlich nicht fehlen.
Es gab Grund genug zu feiern: Das Remscheider Wasserwerk wurde nach fünfzehnmonatiger Bauzeit am 1. März 1884 dem Betrieb übergeben. Das Projekt hatte insgesamt 509.754,93 Mark gekostet. Die Gesamtlänge betrug 9.744 Meter und versorgte rund 800 Anschlüsse mit Wasser. Trotz des trockenen Sommers im Eröffnungsjahr erwies sich die berechnete Wassermenge von 40 Litern pro Kopf als ausreichend, was in erster Linie der Abgabe des Wassers durch Wassermesser zu verdanken war. Die Bewohner des ausgedehnten, zuvor unter sich jährlich wiederholendem, äußerstem Wassermangel leidenden Bergrückens erfreuten sich seither einer geregelten und ausreichenden Wasserversorgung.
Kernstück dieser Wasserversorgung war der 400 m³ fassende Wasserturm an der Hochstraße, der gemeinsam mit dem Wasserwerk im Eschbachtal am 1. März 1884 in Betrieb genommen wurde. Der Behälter war der erste Stützbodenbehälter (Typ Intze I), der nach einem Patent von Professor Otto Intze vom 4. Februar 1883 gebaut wurde. Das Konterfei dieses verdienten Mannes, dem wir im gleichen Zuge auch die älteste Trinkwassertalsperre Deutschlands verdanken, schmückt den Kopf der Einladungskarte, umkränzt von Lorbeeren und versehen mit dem Spruch „Ehre dem Ehre gebührt“. Links daneben findet sich eine Darstellung des erwähnten Wasserturms, der sich zwar in seiner äußeren Gestalt verändert hat und aufgrund gestiegener Anforderungen auch im Kern erneuert wurde, aber bis auf den heutigen Tag an seinem ursprünglichen Standort existiert. Der seit 1986 unter Denkmalschutz stehende „Waterbölles“ ist und bleibt eines der Wahrzeichen unserer Stadt.
Gestaltet hatte die Einladungskarte der Remscheider Lithograf Ernst Voßnack; er versah das Schmuckblatt mit Motiven, die entweder direkt oder indirekt mit der neu gewonnenen Remscheider Wasserversorgung zu tun hatten: Ganz zentral natürlich eine Abbildung der Pumpstation des Wasserwerks im Eschbachtal; rechts neben Prof. Intzes Abbild ein großer Springbrunnen, am unteren linken Rand der Einladung ein Spritzenschlauch der Freiwilligen Feuerwehr und rechts unten diverse durch eine Wasserleitung versorgte Badezuber.
Am 17.11.2004 wurde das Wasserwerk im Eschbachtal geschlossen. Das Wasser für Remscheid kommt jetzt ausschließlich aus der Großen Dhünntalsperre. Die Eschbachtalsperre bleibt auch weiterhin als Trinkwassertalsperre erhalten.
Verfasst von: Viola Meike